Nicht jeder Impfstoff ist gleich
In Europa sind bereits vier Corona-Impfstoffe zugelassen. Weitere werden folgen. Dank umfassender Impfstudien sind Wirksamkeit und Nutzen aller Präparate vor der Zulassung bereits sichergestellt. Nichtsdestotrotz handelt es sich um unterschiedliche Arten von Impfstoffen mit jeweils unterschiedlicher Wirksamkeit [1, 2].
Der Impfstoff „Comirnaty” (BNT162b2) von BioNTech/Pfizer sowie der Moderna-Impfstoff „mRNA-1273” zählen zu den sogenannten mRNA-Impfstoffen. Bei dieser Art von Impfstoff erhalten die Zellen des Körpers eine Art Bauanleitung der Virus-Oberflächenmerkmale. So können die Körperzellen die äußeren „Spike-Proteine” des Virus (das Antigen) selbst herstellen. Immunzellen können sich dann bereits damit vertraut machen, ohne dass für den Körper ein Infektionsrisiko besteht [2-5].
Bei den Impfstoffen von AstraZeneca sowie Johnson & Johnson handelt es sich dagegen um sogenannte Vektorimpfstoffe. Hier wird die Information über den „Corona-Bauplan” in Form von DNA in ein harmloses Erkältungsvirus eingebaut. Letztere wurden so angepasst, dass sie zwar gut an menschlichen Zellen andocken, sich jedoch nicht selbst darin vermehren können. Sie dienen also nur als Transportmittel (Vektor) [2, 5-7].
Und so schnitten die vier Impfstoffe vor ihrer Zulassung ab [3, 4, 6, 7]:
Natürlich lässt sich nicht allein von der Art eines Impfstoffs auf dessen Wirksamkeit schließen. Unter den Hunderten Herstellern, die zu Beginn der Pandemie ins „Rennen” gegangen sind, gibt es etliche, deren wirkungsloser mRNA- oder Vektorimpfstoff nie marktreif werden wird.
Auch spiegelt die Prozentzahl lediglich das Verhältnis von später Erkrankten („mit versus ohne Impfung”) wider. Selbst der beste Impfstoff wird also nicht bei allen Menschen eine adäquate Immunantwort auslösen. Zumal es wichtige Gründe gibt, weswegen die einzelnen Impfstoffe aktuell nicht aufgrund ihrer Wirksamkeitsprozentzahl miteinander verglichen werden sollten.
Und andere Impfstoffe stehen bereits „vor der Tür” [8-10]:
Essenziell: Zustand des Immunsystems
Impfstoffe lösen eine natürliche Immunantwort des Körpers aus, bei der Antikörper gegen den Erreger gebildet werden. Ist das Immunsystem jedoch geschwächt, ist folglich auch das Risiko erhöht, nur unzureichend auf eine Impfung zu reagieren. Für ein geschwächtes Immunsystem kann es natürlich eine Vielzahl an Gründen geben [11].
Allerdings macht dies Impfungen nur noch wichtiger. Denn sollte ein Körper bereits Schwierigkeiten haben, adäquat auf einen Impfstoff zu reagieren, steht es um die Abwehr von Infektionen kaum besser. Im Gegenteil: Denn während bei einem Impfstoff kein Erkrankungsrisiko besteht, können echte Erreger bei einem schwachen Immunsystem schnell zur Lebensgefahr werden [11].
Für Menschen, die sogenannte Immunsuppressiva als Medikamente einnehmen, kann es daher Sinn machen, diese für den Zeitpunkt der Impfung abzusetzen. Dies sollte jedoch nie ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen [11].
Das Alter spielt eine Rolle
Ähnlich verhält es sich mit dem Alter von Menschen. Denn unser Immunsystem verliert mit dem Älterwerden zunehmend an Stärke. Forscher nennen diese natürliche Alterserscheinung auch „Immunoseneszenz”. Manche Teile des Immunsystems werden dabei ziellos gesteigert, während andere einfach nur abnehmen [12].
In Sachen Impfungen lohnt natürlich der Blick auf die Antikörper. Zwar bleibt deren Anzahl im Alter einigermaßen konstant. Jedoch sinkt die Zahl der Antikörper-produzierenden Zellen. So kann unser Körper im Alter durchaus noch gut auf bereits durchgemachte Infektionen reagieren. Bei neuen Erregern oder eben neuen – für den Körper unbekannten – Impfstoffen zeigt das Immunsystem alter Menschen jedoch eine insgesamt schwächere Reaktion [12, 13].
Aber auch hier gilt dieselbe Logik wie zuvor. Dieser Umstand macht die Impfung letztlich nur wichtiger für alte Menschen. Zumal Studien darauf hinweisen, dass alle Altersgruppen mit einer messbaren Antikörperbildung auf eine Corona-Impfung reagieren [14-16].
Was das Geschlecht ausmacht
Auch das Geschlecht kann einen Effekt auf die Wirksamkeit von Impfstoffen haben. Gerade unter älteren Personen führte die Corona-Impfung bei Frauen zu einem stärkeren Anstieg der Antikörper als bei Männern. Diese Ergebnisse passen zu den unterschiedlichen COVID-19-Verläufen [15].
Denn Männer und Frauen infizieren sich zwar gleich häufig mit dem Coronavirus, allerdings erkranken Männer häufiger schwer und versterben doppelt so häufig wie Frauen an der Erkrankung. Das Geschlecht spielt also eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr [17].
So haben Frauen nachweislich ein effektiveres Immunsystem als Männer. Dabei stimulieren Östrogene die Antikörper-Produktion, was Frauen besser vor Infektionen schützt, jedoch anfälliger für Autoimmunerkrankungen macht [18, 19].
Wenn es zwei Dosen braucht
Generell unterscheiden sich Impfstoffe darin, wie viele Dosen bis zum Eintreten der vollen Wirkung nötig sind. So brauchen die Impfstoffe von AstraZeneca, BioNTech/Pfizer sowie Moderna alle eine zweite, sogenannte „Booster-Impfung”, um ihr volles Potenzial zu entfalten [2, 20].
Viele Menschen haben demnach bereits nach der ersten Dosis eine deutliche Antikörperproduktion und einen damit einhergehenden hohen Impfschutz. Vielmehr zeigte sich die Wichtigkeit der zweiten Dosis insbesondere bei älteren Menschen und allgemein bei der mittlerweile dominierenden Delta-Variante [15, 16, 21].
Ganz anders sieht es beim Impfstoff von Johnson & Johnson aus. Dieser hat den wesentlichen Vorzug, mit nur einer Impfdosis auszukommen [2, 7].
Wie lange bis zum nächsten Pieks
Mit dem globalen Impfstoffbedarf entstand ein frappierendes Missverhältnis von Angebot und Nachfrage. Natürlich wird die Produktion derzeit von allen Herstellern massiv ausgebaut. Dennoch scheint es vielfach wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Impfpriorisierung war die logische Folge.
Laut STIKO beträgt der empfohlene Zeitabstand 9-12 Wochen für AstraZeneca (sofern kein mRNA-Impfstoff als Zweitimpfung verwendet wird, was jedoch von der STIKO empfohlen wird) sowie 3-6 Wochen für BioNTech und 4-6 Wochen für Moderna. Das amerikanische Center for Disease Control (CDC) empfiehlt möglichst kurze Intervalle für die beiden mRNA-Impfstoffe (3 Wochen bei BioNTech, 4 Wochen bei Moderna) [2, 22].
Gerade weil die Zweitimpfung für den Schutz gegen die Delta-Variante an Bedeutung gewonnen hat, ist das Ziel in den Vordergrund gerückt, möglichst viele Menschen schnellstmöglich komplett zu impfen – den Abstand zwischen erster und zweiter Dosis also kurz zu halten [23].
Nachlassende Wirkung mit der Zeit
Die Wirkung von Impfungen hält unterschiedlich lange an. Dabei besteht zunächst die Frage, ob eine Impfung nach einer ersten Grundimmunisierung noch weitere Auffrischimpfungen braucht. Während die meisten Kinderimpfungen einen lebenslangen Impfschutz garantieren, bedürfen zum Beispiel die Impfungen gegen Diphtherie und Tetanus alle 10 Jahre einem weiteren „Booster” [24].
Darüber hinaus gibt es Erreger wie die Grippe-auslösenden Influenzaviren, bei denen sich die Oberflächenstruktur neuer Varianten so stark unterscheidet, dass jährlich ein neuer Impfstoff entwickelt werden muss [25].
Für SARS-CoV-2 wird sich erst noch zeigen müssen, wie stark Impfstoffe im weiteren Pandemieverlauf wiederholt gespritzt oder sogar angepasst werden müssen. Auch ist noch offen, ob das Coronavirus langfristig – über die Pandemie hinaus – bedrohlich bleibt [26, 27].
Laut aktuellen Untersuchungen lässt der Impfschutz nach einigen Monaten nach, was Auffrischimpfungen – speziell für Risikogruppen – im Verlauf nötig machen kann. Experten der WHO werben jedoch aktuell dafür, mit einer Auffrischimpfung bis Ende 2021 zu warten, um zunächst die Impfkampagne in ärmeren Ländern vorantreiben zu können [28-30].
Wenn COVID-19 bereits überstanden ist
Menschen mit überstandener COVID-19-Erkrankung sollten wie alle anderen geimpft werden. Laut aktueller STIKO-Empfehlungen wird für Genesene eine Impfstoffdosis 6 Monate nach der Infektion empfohlen, sofern sie Symptome hatten. Denn in den ersten Wochen und Monaten nach der Erkrankung ist das Risiko sich erneut zu infizieren äußerst gering [2, 31].
Jedoch ist eine Corona-Impfung bereits 4 Wochen nach Ende der COVID-19-Symptome möglich. Bei Genesenen, bei denen die vorangegangene Infektion zwar mit einem PCR-Test nachgewiesen wurde, jedoch keine Symptome aufgetreten sind, empfiehlt die STIKO sogar explizit, die Impfung bereits 4 Wochen nach erfolgter Labordiagnose durchzuführen [2].
Studien weisen daraufhin, dass die Antikörperbildung bei Impfungen nach überstandener COVID-19-Erkrankung deutlich stärker ausfällt. In diesem Fall kann der Impfstoff gewissermaßen auf dem „Immungedächtnis” des Körpers aufbauen [15, 31].
Neue Virus-Mutationen auf dem Vormarsch
Neue Virusvarianten stellen eine der größten Herausforderungen für die Pandemiebekämpfung dar. Vier Mutationen werden aktuell von der WHO als „Variants of Concern” eingestuft – also „besorgniserregende Varianten”. Jedoch können im Verlauf der Pandemie noch beliebig weitere Mutationen auftreten [2, 32, 33].
Damit stellt sich automatisch die Frage nach dem Einfluss auf die Impfstoff-Wirksamkeit [34, 35]:
Grundsätzlich stehen alle Virusvarianten in Konkurrenz zueinander. Beim Impfen kann dieses Gleichgewicht also zugunsten einer Mutante kippen, welche in der Lage ist, die Immunantwort dank neuer Fähigkeiten zu umgehen. Dies wird auch „Immunescape” genannt [2, 36].
Solange die Pandemie global anhält und weltweit eine unvollständige Herdenimmunität besteht, kann es somit immer wieder durch natürliche Selektion zur vermehrten Verbreitung solcher „Escapemutanten” kommen [37, 38].
Immerhin ist die aktuell in Deutschland dominierende B.1617.2-Linie durch die derzeit verfügbaren Impfstoffe gut zu bekämpfen. Denn nach einer vollständigen Impfung besteht ein hoher Schutz vor schweren Erkrankungsverläufen [36].
Die COVID-19-Impfstoffe sorgen dabei sowohl für eine T-Zell-Immunität als auch für die Bildung neutralisierender Antikörper, welche an mehreren Oberflächenmerkmalen des Virus ansetzen. Es ist also trotz Mutationen von einem positiven Effekt der Impfungen auszugehen. Damit fallen spätere Infektionen tendenziell milder aus. Zudem ist es den Impfstoffherstellern möglich, die verfügbaren Impfstoffe innerhalb weniger Wochen an neue Mutationen anzupassen [2, 37-39].
All dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Impfstoffe allein nicht das Ende der Pandemie besiegeln werden. Hierfür bleiben alle weiteren Maßnahmen von Schnelltests über Hygiene und Verhalten bis hin zu digitalen Lösungen essenziell [27, 38].
Und nicht zuletzt braucht es weitere Forschung, um herauszufinden, an welchen dieser Stellschrauben wir weiter drehen müssen.
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