Chancen und Risiken von Krafttraining
Vorteile für die Gesundheit
Die gesundheitlichen Vorteile durch regelmäßiges Krafttraining sind enorm. Sie gehen dabei weit über rein äußerliche Merkmale hinaus und betreffen verschiedenste Ebenen: Auf der Zellebene wird so zum Beispiel nachweislich die Energienutzung optimiert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Zellstress in Form von freien Radikalen erhöht [1].
Konkret wurde in Studien dabei Folgendes nachgewiesen:
So konnte zum Beispiel selbst bei älteren Personen gezeigt werden, dass nach mehrmonatigem Krafttraining die Dichte an Mitochondrien – gewissermaßen die „Kraftwerke” innerhalb der Zelle – um 31 % zunahm. Für dieselbe Belastung brauchten die Muskeln zudem weniger ATP, was die im Stoffwechsel verwendete „Energiewährung” ist. Zudem kam es zu einem messbaren Zuwachs der Muskelgröße [2].
Beim Schutz vor Zellstress gaben Studien ebenfalls spannende Einblicke. Sind Muskeln in Arbeit, ist der Sauerstoffverbrauch allgemein erhöht. Als Teil dieses Stoffwechselprozesses können jedoch sogenannte „freie Radikale” entstehen. Diese Sauerstoffmoleküle sind Zwischenprodukte des Stoffwechsels, welche zwar normal sind, jedoch hochreaktiv und damit für Gewebestrukturen aggressiv sein können [3].
Der Clou ist: Zwar entstehen durch vermehrte Muskelbelastung auch vermehrt „freie Radikale”. Jedoch bilden Muskeln bei regelmäßigem Training vermehrt Enzyme, die den Radikalen antioxidativ entgegenwirken können. Wer regelmäßig trainiert, bereitet seinen Körper also systematisch auf unerwarteten Zellstress vor. Anders als ein Bewegungsmuffel, der plötzlich bei einem Umzug mithelfen muss [3].
Ein weiterer Trainingsvorteil ist, dass dadurch auf Stoffwechselebene vermehrt Blutzucker in die Muskelzellen aufgenommen werden kann. So treten weniger Blutzucker-Spitzen auf und der Stoffwechsel stabilisiert sich. Chronische Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 oder systemische Entzündungen werden dadurch unwahrscheinlicher oder verbessern sich [1].
Aber auch vor dem Spiegel kommt es zu sichtbaren Veränderungen, wenn man nur lang genug dran bleibt. Fett wird abgebaut, die reine Muskelmasse erhöht. Das hat auch Auswirkungen für Haltung und Gelenkapparat [4].
Durch eine gestärkte Haltemuskulatur leiden Gelenke weniger unter Verschleißerscheinungen. So konnte in Studien sowohl nachgewiesen werden, dass gezieltes Training Gelenkverschleiß vorbeugen, aber auch die Beschwerden bei bestehenden Problemen reduzieren kann [5].
Die Gelenke profitieren also gleich doppelt: Einerseits lastet bei einem geringeren Körpergewicht insgesamt weniger Gewicht auf ihnen. Der Gelenkknorpel steht also weniger unter Spannung und muss geringeren Ballast abpuffern [5].
Andererseits führt eine systematisch gestärkte Muskulatur, wo Beuger und Strecker gleichermaßen trainiert wurden, zu einer Entlastung, indem das Gelenk besser in Position gehalten wird. Das beste Beispiel ist hier das Schultergelenk, bei dem Schleimbeutel und zuführende Sehnen über deutlich mehr Platz verfügen, wenn die Rückenmuskulatur gestärkt ist [5, 6].
Das richtige Training im Alltag
Krafttraining sollte daher immer nur nach einer ausreichenden Einführung in die Übungen und Geräte erfolgen. Bei Menschen mit Vorerkrankungen oder Beschwerden ist zudem immer eine Rücksprache mit den behandelnden Ärzt:innen sinnvoll.
Generelle Prinzipien im Kraftsport
Egal welcher Art von körperlichem Training eine Person nachgeht, das wichtigste Prinzip ist überall dasselbe. Es nennt sich „Progressive Overload” oder auch „Progressive Belastungssteigerung” [7, 8].
Demnach kann nach ausreichender Regeneration, der Belastungsreiz beim nächsten Training etwas höher gesetzt werden, weil sich der Körper an die bisherige Belastung gewöhnt hat. Je nach Übung und Trainingszustand kann die Erhöhung der Belastung schneller oder langsamer erfolgen (zum Beispiel über Wochen) [7, 8].
Wichtig ist jedoch, dass zu dicht getaktete Belastungsreize oder eine zu schnelle Erhöhung der Gewichte am Ende den gegenteiligen Effekt erzielt [7, 8]:
Umso weiter die trainierende Person mit der Zeit fortschreitet, desto abwechslungsreicher sollten schließlich auch die Trainingsreize werden. Andernfalls gelangt die Person schlichtweg an ein Plateau, von dem sich mit einfacher Gewichtserhöhung keine neuen Kraftzuwächse mehr erzielen lassen [7, 8].
Je nach persönlichen Bedürfnissen kann es ab diesem Punkt Sinn machen, die aufgebaute Kraft durch Erhaltungstraining beizubehalten – anstatt sie weiter auszubauen [8].
Wichtiges für Anfänger
Für die Frage, welche Form von Krafttraining jemand angehen will, stellt sich zunächst einmal die Frage, wie Trainings-erfahren die Person bereits ist. Hinzu kommt, ob das Training lieber zu Hause oder im Fitnessstudio erfolgen soll. Bei Ersterem wäre zu klären, ob die Person Geld für Trainingszubehör ausgeben möchte [9].
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit zu einem Training mit dem eigenen Körpergewicht, mit Widerstandsbändern, mit größeren Geräten oder mit Hanteln und Hantelstangen. Selbst wenn das langfristige Ziel ist, das Krafttraining ausschließlich zu Hause durchzuführen, empfiehlt es sich für Trainingsanfänger dennoch, sich zumindest anfangs von einem professionellen Trainer in einem Fitnessstudio beraten zu lassen [10].
Anschließend kann der Aspekt der „Regelmäßigkeit” an dieser Stelle nicht stark genug betont werden. Nur wer regelmäßig – also mindestens zwei- bis dreimal die Woche – bereit ist, seinem Trainingsprogramm nachzugehen, kann mit nennenswerten Verbesserungen und Gesundheitseffekten rechnen [11].
Die Frage, ob Fitnessstudio oder Heimtraining präferiert wird, sollte sich also maßgeblich danach richten, an welchem Ort man auch langfristig und konsequent dabei bleiben wird. Mit ein paar Bodenübungen, Hanteln und Widerstandsbändern kann bereits ein umfassendes Training für zu Hause erreicht werden – und das völlig egal, wie es um die eigene Wohnsituation oder den Geldbeutel beschaffen ist [11].
Für Einsteiger:innen empfiehlt es sich mit sehr leichten Gewichten zu starten, mit welchen problemlos etwa fünf Wiederholungen durchgeführt werden können. Wenn dieselbe Übung dann in weiteren Durchläufen („Sätzen”) wiederholt wird, kann das Gewicht graduell erhöht werden, bis die Übung schwierig wird und sich die Bewegung verlangsamt [12].
Es wird jedoch bei untrainierten Personen davon abgeraten, an die maximale Belastung heranzugehen (wenn also das Gewicht mit nur einer einzigen Wiederholung gestemmt werden kann). Hierbei ist das Verletzungsrisiko schlicht zu hoch [12].
Zwischen jedem Satz sollte eine Ruhepause von etwa drei bis fünf Minuten erfolgen. Drei bis fünf Sätze pro Übungen sind für Einsteiger:innen ratsam [12].
Häufige Irrtümer unter erfahrenen Kraftsportlern
Es ist aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll, in diesem Artikel einen konkreten Trainingsplan für fortgeschrittene Kraftsportler:innen vorzuschlagen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass das oben skizzierte Prinzip der kontinuierlichen Belastungssteigerung zwangsläufig irgendwann ein Ende erreicht [7].
Für Fortgeschrittene ist daher wichtig an diesem Punkt Varianz ins Training zu bringen und die neuen Belastungen individuell an den eigenen Leistungsstand anzupassen. Eine „One-Size-Fits-All”-Empfehlung gibt es daher nicht [7].
Stattdessen möchten wir an dieser Stelle jedoch kurz auf einige der häufigsten Irrtümer unter erfahrenen Kraftsportler:innen eingehen [13]:
Einer dieser Irrtümer ist der Glaube an den Verlust von Beweglichkeit durch Krafttraining. Beweglichkeit ist nämlich nachweislich – ebenfalls – trainierbar. Sie kann also mit der richtigen Auswahl und Durchführung an Kraftübungen sogar ausgebaut werden [13].
Werden die Übungen mit vollem Bewegungsumfang durchgeführt und dabei mehrere Gelenke involviert, ist also eher mit einer Verbesserung von Mobilität und Funktion zu rechnen [13].
Eine andere häufig geäußerte Annahme ist, Kraftsportler:innen würden durch Krafttraining „merkwürdig aufgepumpt” wirken. An dieser Stelle muss daher ganz klar die Unterscheidung zwischen generellem Krafttraining und gezieltem Bodybuilding gemacht werden [13].
Während die Trainingsprogramme von Bodybuildern vornehmlich auf Muskelwachstum und ein „massiges” äußeres Erscheinungsbild ausgelegt sind, kann dies für normales Krafttraining so nicht gesagt – und festgestellt – werden. Vielmehr bewirkt Letzteres eher eine Optimierung von Kraft, Leistung und Beweglichkeit. Die Sorge konnte so also nachweislich nicht belegt werden [13].
Alle fortgeschrittenen Kraftsportler:innen sollten also durchaus guten Gewissens (zumindest phasenweise) mit höheren Intensitäten trainieren – sofern dies gesundheitlich und unter Einhaltung der Regenerationsphasen möglich ist. Grund ist, dass bei schweren Lasten in Studien tendenziell bessere Kraftresultate nachgewiesen wurden. Eine „schwerere Last” besteht, wenn der Widerstand über 60 % einer einmalig durchführbaren Wiederholung liegt [13].
Wenn eine einmalig durchführbare Wiederholung 10 kg entspricht (also bei 100 % liegt), wäre eine „schwerere Last” demnach alles zwischen 6 kg (60 %) und 10 kg (100 %).
Schmerzfrei dank Kraftsport
Wer bereits vor Trainingsbeginn unter Schmerzen leidet, sollte diese unbedingt erst von Ärzt:innen abklären lassen, bevor er oder sie mit Kraftsport beginnt. Doch in vielen dieser Fällen kann es gerade wegen der Schmerzen sinnvoll sein, mit Kraftsport zu beginnen [13].
Umso wichtiger ist dabei jedoch, dass alle Übungen an die körperlichen Gegebenheiten der Betroffenen angepasst sind und sauber ausgeführt werden. Die Einweisung durch professionelle Fitnesstrainer ist daher ausgesprochen ratsam [13].
Das sagt die Wissenschaft
Zwei der häufigsten Ursachen von Schmerzen im Bewegungsapparat sind Verspannungen und altersbedingter Gelenkverschleiß. In beiden Fällen kann regelmäßiges Krafttraining laut Studien ausgesprochen hilfreich sein und langfristig zu weniger häufigen Schmerzen führen [14].
Selbst bei Menschen mit fortgeschrittener Gelenkarthrose konnte demnach durch gezieltes Krafttraining eine Schmerzreduktion und bessere Funktionalität erreicht werden. In früheren Stadien konnte sogar das Fortschreiten der Erkrankung durch Krafttraining verlangsamt werden [14].
Die Logik ist dabei Folgende: Bei altersbedingter Gelenkarthrose entsteht oft eine Art Teufelskreis. Durch die belastungsabhängigen Schmerzen wird das Gelenk übermäßig geschont. Dies führt einerseits zu einer erheblichen Alltagseinschränkung, nicht selten mit sozialer Isolierung. Es verschlechtert aber andererseits auch den Schmerz selbst [15].
Denn durch die Ruhigstellung wird die Haltemuskulatur weiter geschwächt. Damit werden z.B. Stöße beim Gehen weniger von der Muskulatur abgefedert. Gleichzeitig verändert sich jedoch auch die gesamte Gelenkmechanik – und das ungünstig. Man kann sich vorstellen, wie viel schlechter eine Tür schließt, wenn sie nicht mehr gut positioniert in den Angeln gehalten wird. Bei schwachen Muskeln passiert genau das. Nur eben fürs Gelenk [15].
Das Geheimnis bei Arthroseschmerzen ist daher gezieltes Auftrainieren der Haltemuskulatur – nicht Schonung [15].
Ähnlich sieht es mit Rückenschmerzen aus. Zwar führt Krafttraining selten zu einer Heilung über Nacht, kann aber langfristig zu einer wesentlichen Schmerzreduktion bei gleichzeitig verbesserter Lebensqualität führen. Die Prinzipien (Stabilisierung durch Haltemuskulatur und bessere Gelenkmechanik) sind hier letztlich dieselben [16].
Unabhängig von Ihrem aktuellen Trainingszustand steht also fest: Regelmäßiger Kraftsport hilft jedem. Bleiben Sie also dran.
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.
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