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Risiken und Mythen bei Darmkrebs

Ein gesunder Lebensstil hilft, aber kann die Darmspiegelung nicht ersetzen

Hartnäckige Mythen

Viele Menschen wollen gesünder leben und fragen sich, wie sie sich am besten vor Krebs schützen können. Jedoch können Mythen Menschen davon abhalten, hierfür die richtigen Schritte zu unternehmen. Daher ist es höchste Zeit, ein paar hartnäckige Mythen rund um das Thema Darmkrebs auszuräumen.

Ein Beispiel für solche Fehleinschätzungen ist die Annahme, nur alte Menschen würden von Darmkrebs betroffen sein. Dies ist falsch. Zwar steigt das Risiko tatsächlich mit zunehmenden Alter, jedoch können – insbesondere bei Darmkrebsfällen in der Familie – auch jüngere Menschen daran erkranken [1, 2].

Balkendiagramm über zunehmendes Auftreten von Darmkrebs in den Vereinigten Staaten mit dem Alter
Abbildung zum altersabhängigen Auftreten von Darmkrebs Quelle

Während nämlich das Auftreten neuer Fälle vor allem im mittleren Alter erheblich zu steigen beginnt, treten erbliche Darmkrebsarten in der Regel wesentlich früher auf. Die beiden häufigsten vererbbaren Darmkrebsarten (HNPCC-Syndrom und Familiäre adenomatöse Polyposis) machen gemeinsam immerhin 5 % aller Darmkrebsfälle aus und können schon in Kindheit oder jungem Erwachsenenalter auftreten [3-5].

Ein weiterer häufiger Irrtum ist die Überzeugung, ohne Symptome könne man auch kein Darmkrebs haben. Es gibt keine zuverlässigen Frühsymptome, weswegen die Erkrankung ohne Vorsorge oft lange übersehen wird. So liegen bei den Vorstufen und auch in den Frühstadien von Darmkrebs in den meisten Fällen noch keine Symptome vor [1, 6, 7].

Noch immer werden 70 bis 90 % aller Darmkrebsfälle erst diagnostiziert, wenn Betroffene Symptome entwickeln und der Tumor folglich oft schon fortgeschritten ist. Diesen hohen Zahlen muss dringend mit größerer Bereitschaft für Vorsorgeuntersuchungen entgegengewirkt werden [7].

Manche Menschen sind zudem überzeugt, ein gesunder Lebensstil würde ausreichenden Schutz bieten. Auch dies ist jedoch letztlich ein Irrglaube. Ein gesunder Lebensstil kann zwar das Risiko senken und sich auch insgesamt günstig auf die Gesundheit auswirken. Ausgeschlossen ist Darmkrebs damit jedoch nicht [7].

Im Folgenden erfahren Sie, weshalb ein gesunder Lebensstil allein nicht ausreicht.

Faktoren der Darmkrebsentstehung

Die eigenen Gene sorgen als Basis für eine gewisse Grundwahrscheinlichkeit. Handelt es sich um eines der Darmkrebssyndrome, können Gene quasi im Alleingang für den Ausbruch der Erkrankung verantwortlich sein. Bei den meisten Menschen sind aber nicht bestimmte Schlüsselgene betroffen, sondern die Zusammenschau aus all ihren Genen kann es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen, im Verlauf ihres Lebens zu erkranken [8, 9].

Hier kommt das eigene Verhalten also entscheidend hinzu. Gene und Verhalten addieren sich und es hängt meist von beiden ab, ob eine Krankheit letztlich auftritt. Eine Person, die von ihrer genetischen Veranlagung bereits ein höheres Erkrankungsrisiko hat, ist von einem ungesunden Lebensstil also stark betroffen. Dagegen kann eine Person mit geringem genetischen Erkrankungsrisiko unter Umständen auch einen ungesunden Lebensstil haben, ohne am Ende zu erkranken. Doch es gibt weitere Faktoren, die das Ganze noch komplexer machen.

So gehen Forscher davon aus, dass eine Vielzahl an Krebsfällen durch sogenannte Zufallsmutationen ausgelöst wird. In diesen Fällen kommt es also durch reinen Zufall zu DNA-Mutationen, die später zu Krebs führen. Dies macht die Darmkrebsvorsorge – mit dem Ziel, den Krebs schon im Frühstadium zu erkennen – umso wichtiger [10].

Ein weiterer Faktor, der Vorsorgeuntersuchungen so bedeutend macht, ist die Rolle von anderen Vorerkrankungen. So können bestimmte Krankheiten wie zum Beispiel Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ebenfalls das Darmkrebsrisiko erhöhen [11].

Zwar zeigen diese Faktoren einerseits, dass ein gesunder Lebensstil nicht allein als Schutz vor Darmkrebs ausreicht. Sie machen die Rolle von gesundem Verhalten jedoch nur noch wichtiger. Denn wenn das Risiko ohnehin schon erhöht ist, möchte man schließlich alle weiteren Faktoren auf seiner Seite wissen. Und auch hier ist es wichtig, genauer zu schauen, was hilft und was nicht.

Gutes und schlechtes Verhalten im Check

Lebensmittel und Ernährung

Beim Gang durch den Supermarkt kann man bekanntlich vieles richtig und falsch machen. Eine gesunde Ernährung hat schließlich etliche positive Effekte. Beim Thema Darmkrebs ist die Studienlage jedoch weniger eindeutig: Oft gehörte Tipps wie ballaststoffreiche Kost, Gemüse, Obst, Fisch, Knoblauch und Kaffee sind hier tendenziell positiv, aber in ihrem „Darmkrebsschutz” nicht ausreichend gut belegt [12].

Ein Beispiel hierfür ist die Studienlage zu Kaffeekonsum und Darmkrebsrisiko. Zwar gibt es eine Vielzahl an Beobachtungsstudien, die einen positiven Effekt für Kaffee erbrachten. Dieser konnte jedoch in zahlreichen großen Studien nicht bestätigt werden. Es bleibt also vorerst unklar, wie gesund Kaffee für den eigenen Darm ist. Immerhin: Ungesund ist er wohl nicht [13].

Eindeutiger wird es beim Thema Fleisch. So wirken sich rotes und verarbeitetes Fleisch nachweislich ungünstig auf das Darmkrebsrisiko aus. Insbesondere bei verarbeitetem Fleisch legt die Studienlage ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs nahe. Bei unverarbeitetem roten Fleisch wird das Risiko immerhin als wahrscheinlich angesehen. Wer beim nächsten Grillen auf Rind, Lamm, Schwein und Co. verzichten kann, tut sich somit langfristig einen echten Gefallen [14]. 

Auch bei Alkohol ist die neuere Forschung für alle Spirituosenliebhaber eher ernüchternd. Gar kein Alkohol ist demnach besser als wenig – bei Darmkrebs als auch anderswo. Hier hielt sich jahrzehntelang einer der größten Mythen: Ein Glas Rotwein am Tag sei gesund. Doch dies stimmt so wohl nicht [15-18].

Denn in den damaligen Studien war es schwer, Menschen als Vergleichsgruppe zu finden, die gar kein Alkohol konsumierten. Daher wurden die Menschen mit mäßigem Konsum mit ehemaligen, nun trockenen Alkoholikern verglichen. Und diese waren – wenig überraschend – ungesünder. Der Mythos war geboren [16].

Wer deswegen Alkohol nicht gleich komplett aufgeben will, kann es mit den Empfehlungen der WHO halten. Demnach beginnt die riskante tägliche Alkoholmenge für Männer ab 24 Gramm pro Tag und für Frauen ab 12 Gramm pro Tag. Für Frauen entspricht das täglich mehr als 0,1 Liter Wein oder Sekt, mehr als 0,25 Liter Bier oder aber 4 Zentiliter Schnaps pro Tag. Bei Männern dementsprechend das Doppelte. Das macht Alkohol dann zwar nicht gesund, aber in diesen geringen Maßen zumindest umgekehrt auch nicht allzu ungesund [19].

Bewegung, Übergewicht und Rauchen

Regelmäßige Bewegung ist eine weitere wichtige Stellschraube, die man selbst beeinflussen kann. Wen der „innere Schweinehund” Tag für Tag erfolgreich von Sport, ausgedehnten Spaziergängen und schweißtreibenden Fahrstuhlumgehungen abhält, der könnte anfangen, hin und wieder an seine Darmgesundheit zu denken. Die aktuelle Studienlage lässt folgende Aussage zu [20]. 

Zwar ist es schwer, für Darmkrebs einen genauen Grenzwert zu finden – also „ab so vielen täglichen Metern, kann man mit dem und dem Effekt für den Darm rechnen”. Dennoch lässt sich generell festhalten, dass mehr Bewegung auch zu mehr Risikoreduktion führt [20].

So fand eine große Metaanalyse aus 21 Studien eine gut 25-prozentige Risikoreduktion zwischen den aktivsten im Vergleich zu den inaktivsten Studienteilnehmern. Der genaue Mechanismus, wie Bewegung den Darm schützt, ist jedoch noch unbekannt. Auch gibt es hier noch keinerlei Interventionsstudien, welche die höchste wissenschaftliche Aussagekraft hätten [20].

Für jeden Einzelnen ändert das trotzdem nichts am Gesamtbild. Jede Minute Bewegung ist günstig. Zudem wirkt sich regelmäßige Bewegung positiv auf die geistige Gesundheit, sämtliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viele andere Krebserkrankungen sowie Übergewicht aus [20, 21].

Letzteres kann bei der Darmkrebsentstehung ebenfalls eine Rolle spielen. In Studien hatte starkes Übergewicht den stärksten Effekt, wenn die Gewichtszunahme zwischen frühem Erwachsenenalter und Lebensmitte erfolgte. Aber auch Gewichtszunahmen zu einem späteren Zeitpunkt wirkten sich nachweislich ungünstig aus [22, 23]. 

Umso stärker die Gewichtszunahme dabei ausfiel, desto größer war auch ihr negativer Effekt. Bei Übergewicht ein paar Pfunde zu verlieren, kann also lohnen. Und jedes Pfund zählt [22, 23].

Und nicht zuletzt zählt Rauchen zu den wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren für die Entstehung von Darmkrebs. Dabei macht Tabakkonsum sowohl die Entstehung von Darmpolypen – also Krebsvorstufen – wahrscheinlicher, erhöht das Risiko für die Zellen zu entarten und steigert zudem die Gefahr, an Darmkrebs zu versterben. Und wer es nicht schafft, komplett mit dem Rauchen aufzuhören, tut sich dennoch mit jeder Zigarette weniger einen Gefallen [24].

Viele dieser Maßnahmen sind also überaus hilfreich. Die Darmspiegelung ersetzen sie trotzdem nicht.

Darmspiegelung bleibt der Vorsorge-Goldstandard

Einige Mythen konnten also schon ausgeräumt werden, sodass wir nun wissen: Darmkrebs betrifft auch jüngere Menschen. Man kann sich nicht allein auf die Symptome zur Krankheitserkennung verlassen. Ein guter Lebensstil bringt wichtige Vorteile, aber dennoch keinen hundertprozentigen Schutz. 

Daher ist es so enorm wichtig, Darmkrebs so früh wie möglich zu erkennen. Handelt es sich nämlich um Darmpolypen – also mögliche Krebsvorstufen, können diese noch leicht beseitigt werden. 

Da viele Menschen sich eine Darmspiegelung unangenehm vorstellen, drücken sie sich vor einem regelmäßigen Check-up oder wollen ersatzweise auf einen Blut-im-Stuhl-Test ausweichen. Doch das allein reicht nicht.

Blut-im-Stuhl-Test vs. Darmspiegelung

Beim Blut-im-Stuhl-Test wird anhand einer kleinen Stuhlprobe mit einem Teststreifen ermittelt, ob Spuren von Blut im Stuhlgang vorhanden sind. Da es sich dabei um keinen Eingriff handelt, ist der Test bei vielen attraktiver als die Darmspiegelung [25].

Dennoch bleibt die Darmspiegelung als Vorsorge unersetzbar. Die Annahme, ein einfacher Blut-im-Stuhl-Test könne hier als gleichwertiger Ersatz dienen, ist ein weiterer hartnäckiger Mythos. Hier hilft nur Statistik [25]. 

Demnach versterben 7 von 1000 Menschen an Darmkrebs, wenn bei ihnen kein Blut-im-Stuhl-Screening erfolgte, und immer noch 6 von 1000, wenn der Test durchgeführt wurde. Der Test schützte so gesehen nur 1 von 1000 Personen [25]. 

Allerdings geht der Test gleichzeitig auch mit negativen Folgen einher. Bei 12 von 1000 Menschen fällt der Test fälschlicherweise positiv aus. Es entsteht also falscher Alarm, der häufig unnötige Angst und Folgeuntersuchungen nach sich zieht [25].

Zudem erbringt der Test bei 6 von 1000 Menschen ein negatives Testergebnis, obwohl sie tatsächlich Darmkrebs haben. Diese Menschen wähnen sich daher mitunter in falscher Sicherheit und verpassen die Gelegenheit wichtige nächste Schritte zu unternehmen [25].

Die Vorteile des Blut-im-Stuhl-Tests als Früherkennung fielen also minimal aus, während die Nachteile samt der damit einhergehenden Angst deutlich größer waren. Es lohnt also, die inneren Widerstände zu überwinden und den Darmskrebs-Vorsorgeempfehlungen der Krankenkasse oder Ärzte zu folgen. Darin kommt der Blut-im-Stuhl-Test auch weiterhin ergänzend vor – aber eben nicht als Ersatz zur Darmspiegelung [25, 28].

Die Darmspiegelung bringt gleich mehrere Vorteile: Wurde der Darm mit Abführmitteln und eintägigem Verzicht fester Nahrung gut auf die Untersuchung vorbereitet, kann mit einem langen, biegsamen Schlauch (Koloskop) Schritt für Schritt der gesamte Dickdarm inspiziert werden. Und das meist ohne jedwede Beschwerden. Werden die Ärzte bei der Untersuchung tatsächlich fündig, können sie den Polypen zudem prompt entfernen oder wenigstens eine Gewebeprobe für das Labor entnehmen [29].

Am Ende gehen Vorbeugung und Früherkennung Hand in Hand: Mit einem gesunden Lebensstil können Sie das Risiko effektiv verringern, während regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen die Früherkennung möglich machen.

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

Ursprünglich veröffentlicht am

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